PuK und Regionalentwicklung
Strategischer Schwerpunkt
Zukunftskonferenz Tutzing
Als einer von fünf strategischen Schwerpunkten soll die
Regionalentwicklung in der ELKB besondere Aufmerksamkeit bekommen:
„Die Region gewinnt zukünftig als Gestaltungsraum an
Bedeutung und sie hat dafür sowohl einen strukturellen Rahmen wie auch Freiraum
zur Gestaltung.“ (2. Strategischer Schwerpunkt der Zukunftskonferenz der
Kirchenleitenden Organe in Tutzing im Juli 2022)
Aktuelle Beobachtungen
PuK hat starke Impulse in Regionalentwicklungsprozesse
gebracht:
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Die Nachfrage nach Beratung und Information ist groß: Digitale
Formate wie „Aufbruch in die Region“ oder zur Pfarreibildung haben bis zu 150
haupt- und ehrenamtliche Teilnehmende. In der Gemeindeakademie betrifft die
große Mehrheit der Anfragen „Regionalberatung“; die klassische Gemeindeberatung
wird zur Ausnahme.
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In einzelnen Arbeitsbereichen (z.B. Jugendarbeit, Arbeit mit
Kindern und Familien) werden Kooperationen zur gemeindeübergreifenden Zusammenarbeit
gebildet.
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Auf struktureller Ebene sind aktuell viele Gemeinden mit
Pfarreibildungen und/oder der Vereinigung von Kirchenvorständen beschäftigt.
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Kleinere Dekanatsbezirke beschäftigen sich zunehmend mit der
Frage, wie sie miteinander kooperieren können oder machen sich auf den Weg zu
einer Fusion.
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Auch EKD-weit bekommt Regionalentwicklung eine große
Aufmerksamkeit. Das zeigt sich zum Beispiel an der Resonanz auf die sog.
„Regiolokale Kirchenentwicklung“ und den fünf Impulstagen dazu, die aktuell an
verschiedenen Orten in Deutschland stattfinden (24.4.2023 Augsburg).
Dem Anliegen von PuK, den kirchlichen Handlungs-/
Gestaltungsraum nicht einfach aus den bestehenden Strukturen und
Organisationsformen abzuleiten, korrespondiert die Begriffsunterscheidung, die
sich durchgesetzt hat: Regionalisierung meint demnach „Prozesse in
Regionen, die im Wesentlichen einer strukturellen Logik folgen und die
Anpassung zu groß (und zu klein) gewordener Strukturen an zurückgehende
Ressourcen zum Ziel haben.“ Dagegen beschreibt Regionalentwicklung
„Prozesse, die die Entwicklung der Kirche in der Region zu einer
ausstrahlungsstarken und darin missionarischen Größe zum Ziel haben“. (Vgl.
Handbuch Kirche und Regionalentwicklung; S. 217)
Rückblick 2017
Im Coburger Synodalbeschluss von 2017 spielt der
Raum-Begriff eine große Rolle („Arbeitspaket A: Kirche im Raum“, „Arbeitspaket
B: Gemeinde im Raum“). Damit werden wichtige Erkenntnisse der
Sozialwissenschaften aufgenommen („spatial turn“), die „Raum“ nicht als
statische, territoriale Größe, sondern als soziales Konstrukt verstehen.
Gleichzeitig (oder gerade deshalb?) bleibt der Begriff unscharf und löst in
verschiedenen PuK-Formaten dadurch immer wieder Irritationen aus.
Im Coburger Beschluss wird einerseits vom „Dekanatsbezirk als
Grundform des Handlungsraums“ ausgegangen; andererseits wird ein
mehrdimensionales Raumkonzept beschrieben, das je nach Fragestellung und
Personengruppe (Mitglieder, Mitarbeitende, Auftrag der Kirche) zu unterscheiden
ist. In der weiteren Arbeit von PuK verschwindet dieser Raum-Begriff dann
wieder weitgehend.
Was bleibt, ist das „PuK-Dreieck“ oder vielleicht besser
die „PuK-Hermeneutik“, die den „Raum des kirchlichen Handelns“ nicht einfach
aus der strukturellen Zuständigkeit (z.B. der Parochie) ableitet, sondern
diesen Handlungsraum zwischen dem „Auftrag der Kirche“, den „Menschen“ und der
„Organisation“ aufspannt. Damit wird die parochiale Zuständigkeits-Logik und
damit die Struktur- und Organisationsseite einer permanenten
Überprüfung unterzogen.
In der Praxis zeigt sich so etwas wie ein „Sog der
bestehenden Strukturen“. Das „PuK-Dreieck“ droht immer wieder auf die
Organisationsseite zu kippen (s.u.).
Gelungenes
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Gerade in den oft komplexen Prozessen der Regionalentwicklung
bewährt sich das PuK-Dreieck als gemeinsames und inzwischen vertrautes
Denkmodell: Vom kirchlichen Auftrag und von den Menschen in ihrer jeweiligen
Lebenswirklichkeit her ist (immer wieder) nach einer angemessenen
Organisationsform von Kirche zu fragen. Diese gemeinsame Grundlage erleichtert
die Kommunikation, trägt wesentlich zur Komplexitätsreduktion bei und hält die
Frage nach dem Sinn und Ziel (nach dem why) aller kirchlichen Arbeit wach.
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Wie im Coburger Beschluss angeregt wurde im Rahmen der LStPl
2020ff der Dekanatsbezirk zum maßgeblichen Planungsraum: Die Stellen wurden
nicht den Kirchengemeinden zugeordnet, sondern den Dekanatsbezirken. Auch wenn
vielerorts beklagt wurde, dass mit der Bekanntgabe der Zahlen die
PuK-Vorüberlegungen plötzlich „vergessen“ waren und auch wenn hier der „Sog der
bestehenden Strukturen“ nicht zu übersehen war: Der Perspektivwechsel, der
damit in vielen Dekanatsausschüssen ausgelöst und gefördert wurde, kann nicht
hoch genug eingeschätzt werden. An vielen Orten gelang es, auf Dekanats- oder
Regionen-Ebene gemeinsame Aufgaben zu identifizieren und diesen dann
Stellenressourcen zuzuweisen. So entstanden (z.T. in Kooperation mit dem
dekanatsweiten Dienst) regionale Stellen für Kinder-, Familien- und/oder
Jugendarbeit.
In einigen großen Dekanatsbezirken wurde die Region als wesentlicher
Gestaltungsraum entdeckt. Und dort, wo das ernstgenommen wurde, entstand nicht
selten ein neues Bewusstsein: Wir in der Region suchen eine Lösung, die für uns
passt.
Dabei gilt „Prozessqualität vor Ergebnisqualität“. Wo regionale und
dekanatliche Steuerungsgruppen 2024 das Bewusstsein haben, eine angemessene
Lösung gemeinsam erarbeitet und vielleicht auch erstritten zu haben, ist eine
gute Grundlage für die kommenden Herausforderungen gelegt.
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Im Blick auf nötige Strukturveränderungen scheint sich die Pfarrei
als Organisationsform zu etablieren. Sie erlaubt es den Kirchengemeinden
(als eigene Körperschaften) selbständig zu bleiben und sich gleichzeitig in
eine neue gemeinsame Struktur zu bewegen. Dadurch, dass Stellen und Verwaltung
(Pfarramt) in einer Pfarrei gemeinsam gedacht werden müssen und ein gemeinsamer
Kirchenvorstand gebildet werden soll, wird das regionalen Denken gefordert und
gefördert.
Herausforderungen
Die größten Herausforderungen sehen wir in den folgenden
Bereichen:
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Der 2. Perspektivwechsel von PuK „Säen und wachsen
lassen“ und der „Abschied von der Vollversorgung“ weist auf einen
anstehenden „Wandel 2. Ordnung“ hin, in dem vermutlich auch die volkskirchliche
Präsenz in der Fläche in Frage stehen wird. Solche Veränderungen können nicht
alleine durch Regionalentwicklung gelöst werden.
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Die Gefahr der reinen Strukturdiskussion besteht:
Strukturveränderungen wie die Bildung von Pfarreien oder die Fusion von
Dekanatsbezirken können viel Energie und Zeit binden und gleichzeitig die
Erfahrung der Vergeblichkeit entstehen lassen. Deshalb wird es wichtig sein,
intensiv an den Fragen nach dem Bild und Auftrag von Kirche (nach dem why von
Kirche) zu arbeiten. Dazu gehört es ganz wesentlich auch der geistlichen
Dimension/ den Unterbrechungen/ dem Aushalten des Nicht-Weiter-Wissens in
diesen Prozessen den nötigen Raum offen zu halten.
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„Wir sind Architekten des Übergangs“:  Es geht
darum, in eine Haltung des mutigen Erprobens zu kommen, Dinge auszuprobieren
auch in dem Wissen, dass ihre Halbwertszeit überschaubar sein wird. Scheitern
erlaubt!
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Wir brauchen eine Kultur des Miteinanders: Teamfähigkeit
wird eine zentrale Rolle spielen für die kirchlichen Berufsgruppen. Das muss
sich in allen Bereichen der Aus-, Fort- und Weiterbildung zeigen.
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Einiges Potential liegt im „doppelten Netzwerk-Denken“
(Leitfrage eines Netzwerkes: Wer kann zu einer Herausforderung etwas beitragen?
Nicht: Wer ist zuständig?): Wie gelingt es, die verschiedenen kirchlichen
Player vor Ort (Gemeinden, kirchliche Orte, Initiativen…) gut miteinander zu
vernetzen? Und: Wie gelingt es den kirchlichen Playern, sich mit den anderen
Playern im Sozialraum zu verbünden?
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Wie werden Regionen zu Erprobungsräumen? D.h. wie können
die punktuellen Aufbruchserfahrungen z.B. von MUT-Projekten in das Selbstverständnis
und die Ressourcensteuerung von Regionen integriert werden?
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Wie steuern sich Regionen (ohne neue Strukturen und
Gremien nötig zu machen)? Und damit verbunden die Problemanzeige, dass
wesentliche Entscheidungen in Sachen Regionalentwicklung von Gremien
beschlossen werden müssen, die dadurch ihr eigene Existenz gefährden (z.B.
Kirchenvorstände, die eine Fusion miteinander beschließen sollen).
Die
5 Türen der regiolokalen Kirchenentwicklung
Ausgelöst durch viele Regionalberatungsprozesse ist in der
Gemeindeakademie das sog. 5-Türen-Modell der regiolokalen Kirchenentwicklung
entstanden.
Es versucht die Komplexität von
Regionalentwicklungsprozessen zu reduzieren, indem es fünf Türen benennt: Diese
werden je nach Situation in verschiedener Reihenfolge durchschritten, aber
keine Tür wird ausgelassen werden können.
In der Mitte steht fett „start with why“: Die Frage nach
dem Wozu von Kirche, die vor Ort immer wieder gemeinsam beantwortet werden will
und so Orientierung in den großen Veränderungsprozessen gibt.
Das 5-Türen-Modell versteht sich damit als eine Konkretion
der PuK-Denke für die Fragen der regionalen Zusammenarbeit.
Links
„Aufbruch in die Region“ – eine digitale
Reihe mit Praxisbeispielen zur regiolokalen Kirchenentwicklung; zum padlet mit
Material, links und Film-Clips
Pfarrer Michael Maier, Studienleiter Gemeindeakademie
Dr. Susanne Schatz, Leiterin der Gemeindeakademie
Dekan Klaus Schlicker