„Am frühen Morgen sitzen die Fischer am Ufer des Sees und flicken ihre Netze.“ So beginnt eine der ersten Geschichten aus dem Neuen Testament in der Kinderbibel. Es ist ein eindrückliches Bild, das mit diesem Satz vor dem inneren Auge entsteht. Bis heute. Das Netz der Fischer ist und bleibt ein Symbol für kirchliche Arbeit. In einem Netz steckt viel Mühe und Herzblut. So, wie in kirchlicher Arbeit. Durch den Gebrauch des Netzes und den Lauf der Zeit entstehen Löcher im Gewebe, kleine und größere. So auch im Netz kirchlicher Versorgung im 21. Jahrhundert in Bayern. Und doch bleibt das Netz ein starkes Symbol für die Kommunikation des Evangeliums über die Zeiten.
Im Abschlussbericht der PuK-Arbeitsgruppe „Vernetztes Arbeiten“ von 2018 heißt es: „Der christliche Glaube ereignet sich als kommunikatives Beziehungsgeschehen. Gott selbst wird in der Bibel als ein kommunikativer Gott, der die Beziehung sucht und will, beschrieben.“ Daraus leitet sich der Auftrag der Kirche ab, sich selbst in die Welt und die Lebensräume der Menschen hinein zu vernetzen. Angelehnt an den Missionsauftrag endet diese Vernetzung nicht an den – ohnehin schwer beschreibbaren – Grenzen der Kirche. Die Liebe des mensch- gewordenen Gottes gilt allen. „Das bedeutet: Von unserer Haltung her werden wir uns als Kirche - noch mehr als bisher schon - als Bestandteil und Akteurin in der Welt begreifen. Wir nehmen Abschied von einem Kirchenbild, das von einer ‚drinnen‘ und ‚draußen‘ Vorstellung gespeist wird.“
Ein wesentlicher Schlüssel ist die Verbreitung und Anwendung des sozialräumlichen Ansatzes. Vor allem Entscheiden und Handeln steht die Erkundung. „Was willst du, dass ich dir tun soll?“ (Lk. 18, 41) Zahlreiche Materialien und Methoden zu einer genaueren Erkundung des sozialen Nahraums stehen zur Verfügung. Kluge Frageansätze und motivierende Werkzeuge helfen dabei, vertieft zu verstehen, was die Menschen in den Gemeinden, Regionen und Dekanatsbezirken umtreibt. In der Fragetasche finden sich Arbeitsbögen, Dialogangebote und gute Beispiele zur Erkundung. Das genaue Hinsehen und Hinhören und die konsequent fragende Haltung fördern manche neue Erkenntnis zutage.
Zahlreiche Gemeinden haben das Thema Familienarbeit in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit gestellt. Konzepte zur Vernetzung von bereits vorhandenen Bausteinen mit Aktivitäten anderer Akteure entwickeln sich. Das Werkstattheft „Familienfreundliche Kirche?!“ aus dem Dekanatsbezirk Erlangen zeigt, wie ein Thema in der Form eines Marktplatzes sichtbar und vernetzt ausgestaltet werden kann.
Im von PuK geförderten Projekt KonfiX im Dekanatsbezirk Kronach-Ludwigsstadt wurde damit begonnen, über eine vorübergehend zusätzliche Personalkapazität mit 10 Wochenstunden, die Vernetzung der Konfiarbeit mit der Jugendarbeit über die Grenzen von Gemeinden hinaus in einer Region zu etablieren. Die Evangelische Landjugend ist mit im Boot und bringt sich fachlich und konzeptionell ein. Das Projekt hat inzwischen bahnbrechende Wirkung für andere Bereiche der Zusammenarbeit in der Region. Die Vernetzung wird weitergehen.
Das Jakobus Radpilgerwegeprojekt einer hochengagierten Gruppe rund um Pfarrer Jürgen Nitz aus Kaufering hat im Laufe der letzten Jahre ein echtes Vernetzungswunder geschafft. Zahlreiche vorhandene Radwege wurden mit der Hilfe der Gruppe, des ADFC und vieler privater Spender erkundet, beschildert und digital erfasst. So ist es gelungen, die erfüllenden, Kraft spendenden und überraschenden Erfahrungen des Pilgerns auf dem Rad vielen suchenden und spirituell offenen Menschen zur Verfügung zu stellen. Es ist Vernetzungsarbeit im besten Sinne. Kirche ist unterwegs und in Bewegung. https://www.radpilgern-bayern.de/
In der Kirchengemeinde Schillingsfürst im Dekanatsbezirk Rothenburg o. d. Tauber wurde es nötig, nach räumlichem Ersatz für das marode Gemeindehaus zu suchen. Statt einfach in alter Logik allein neu zu bauen, wurde zusammen mit dem Pflegeheim Elisenstift ein Sozialzentrum errichtet, dessen Räume nun auch von der Kirchengemeinde genutzt werden können. Gemeinsam öffnen sich beide Einrichtung den Menschen im Sozialraum. Der Diakonieverein Schillingsfürst profitiert davon ebenso wie andere örtliche Vereine, der Hospizverein Rothenburg und das Kinderhaus Kunterbunt. Das Herzstück des Projekts ist das Café, das für alle offensteht. Die Menschen mit ihren Bedürfnissen stehen im Mittelpunkt des gelungenen Vernetzungsprojekts.
Mit dem Projekt LKA 2030 und den damit einhergehenden Veränderungen im Landeskirchenamt wird das Netzwerkbild auch für die Verwaltung eine größere Bedeutung erhalten. Verwaltungsprozesse sollen vernetzt und weniger hierarchisch organisiert werden. Die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips wird dazu führen, dass manche der bisherigen Tätigkeiten gebündelt und stärker vor Ort durchgeführt werden können, so dass das Landeskirchenamt schrittweise kleiner und agiler werden wird. Die damit einhergehenden Veränderungen in den Rollenbildern, in den Verantwortlichkeiten und in der Haltung werden sorgfältig gestaltet und eingeübt werden müssen. Siehe auch „PuK und Landeskirchenamt“.
Vernetzung ist kein Selbstzweck, sondern dient dem Auftrag der Kirche, so wie es bei PuK formuliert wurde: Die ELKB gibt Zeugnis von der Liebe des menschgewordenen Gottes. Sie orientiert sich am Auftrag der Heiligen Schrift und organisiert ihre Arbeitsformen und ihren Ressourceneinsatz konsequent auf das Ziel hin, dass Menschen mit ihren heutigen Lebens-fragen einen einfachen Zugang zu dieser Liebe finden. In Zeiten steigender Kirchenaustrittszahlen und abnehmender Kirchensteuereinnahmen ist Vernetzung ein Gebot der Vernunft. Es wird auf Dauer nicht möglich sein, in bisherigem Ausmaß an allen Orten alle Angebote aufrechtzuerhalten. Mit einem Strukturmodell von der Kommunikation über die Koordination zur Kooperation können nachbarschaftliche Kontakte weiterentwickelt werden. Das braucht Zeit und Ãœbung. Der PuK-Prozess hat dafür Rückenwind gegeben, so dass die ELKB mit vielen mutigen Schritten an vielen Orten unterwegs ist.Â
In und mit Netzwerken zu arbeiten ist kein alleiniges Allheilmittel. Vernetzungsarbeit kostet Aufwand und Mühe, Vertrauen, Absprache und Übung.
Dennoch wach und aufmerksam zu sein und zu bleiben für die zahlreichen Chancen, die das Arbeiten im Modus der Vernetzung mit sich bringt, gehört zum Grundverständnis von „Profil und Konzentration“. Vieles geht gemeinsam besser, manches wird dauerhaft überhaupt nur gemeinsam gehen.
Die Fischer am See Genezareth haben sich gemeinsam mit Jesus auf den Weg gemacht. Sie sind seinem Wort gefolgt und haben ein Netzwerk von Glaubenden und Suchenden, Betenden, Hoffenden und Zweifelnden aufgebaut. Bis heute wird am Netz gewebt, geflickt und geknotet. Das Netz Kirche ist in Bewegung und muss beweglich bleiben. Jede Hand und jedes Herz werden gebraucht. Ran an die Netze, es geht weiter. Wir knüpfen aneinander an, wir knüpfen aufeinander zu …
Dipl. Religionspädagogin (FH) Brigitta Bogner, PuK-Team